„Die Pilgerin“ vs. „Game of Thrones“

Hach Josefine, vielleicht hätte ich nie mit „Türkisch für Anfänger“ anfangen sollen. Nach 20 oder so Episoden der teils überaus witzigen, teils total nervigen „Modern Family“ in Berlin kenne ich das Preuß’sche Mienenspiel zwischen schmollend, entrüstet und verheult  zu gut. Und muss feststellen: zum schmutzigen Mittelalter passt es einfach nicht. Zumal Du  mit Bubikopf, schmutzigen Backen und in Sackleinen gewaltig an Ausstrahlung einbüßt.

Aber so war das eben im Mittelalter: Eine Frau auf Wallfahrt, viel zu gefährlich. Also macht sich Tilla, die Unschuld aus der freien Reichsstadt Tremmlingen, im ZDF-Zweiteiler „Die Pilgerin“, verkleidet auf den Weg nach Santiago de Compostela. Dort will sie den letzten Wunsch ihres Vaters erfüllen und das Herz des Toten begraben. Zugleich flieht sie vor dem bösen Bruder und kommt dabei des Öfteren vom Regen in die Traufe. Und in den Schlamm, denn das Mittelalter sieht im ZDF genau so aus, wie wir es uns vorstellen: schmutzig, schlammig und gut gefüllt mit Chauvi-Schweinen.

Für mehr Tiefgang reicht es nicht, daran hat sicher auch die Romanvorlage des Autoren-Duos Iny Lorentz Ihren Anteil. Die Ritter von der traurigen Einfalt haben schon auf Sat1 die „Wanderhure“ als sinnfreies Blut- und Dreck-Spektakel inszeniert. Im ZDF wird aus der Hure nur eine (quasi) Heilige. Der Zuschauer erfährt zumindest in den ersten 120 der insgesamt 180 Minuten (sorry, länger haben wir nicht durchgehalten) nichts über die Zeit, die Menschen, die Lebensumstände. Die Charaktere bleiben stumpf, die Action wirkt zeitweise lächerlich. Ein einarmiger Held, der ganze Heerscharen bezwingt, um dann zu enthüllen, dass er den zweiten Arm nur versteckt hat? Da schau ich mir doch lieber die Ritter der Kokosnuss an: „Ihr Arm ist ab.“ „Das ist nur ein Kratzer.“

Ein Vergleich mit „Game of Thrones„, der HBO-Serie um die Romane von George R. R. Martin, verbietet sich eigentlich. Obwohl, warum nicht? Eine Frage, fast so alt wie das Mittelalter, steht wieder im Raum: Die Deutschen können keine Geschichten erzählen, woher kommt das? Die Antworten sind auch im Fall der „Pilgerin“ vielfältig: Das Format erlaubt keine tiefer gehenden Charakterstudien. Die Schauspieler entfalten sich nicht, vielleicht abgesehen von Volker Bruch, der als Tillas Bruder allerdings auch eine dankbare Schurkenrolle einnimmt. Das Geld fehlt für echte Kulissen und die Kamera schafft es nicht, dahinziehenden Pilgern auch nur einen Hauch von „Herr der Ringe“ zu verleihen.

Der Erfolg von (US-)Serien basiert auch auf dem langen Atem der Produzenten. Man stelle sich die „Pilgerin“ als Zehnteiler vor. Welch Detailreichtum sowohl historischer als auch emotionaler Art hätte da ausgebreitet werden können. So aber ersticken Klischees die Schaulust. Und Josefine können wir nur zurufen: „Lass nächstes Mal die Haare dran!“