Ein Haufen Gründe dafür, dass The Following die schlechteste US-Serie aller Zeiten ist

Warum soll ich mich immer im Stillen aufregen, wo ich doch jetzt so ein schönes Blog habe? Vielen Dank, Oliver, hier also ein kleiner Rant zu „The Following“. Glaubt mir, die Serie hat es verdient. Sie läuft seit Januar 2013 auf Fox, inzwischen in der zweiten Staffel. Und deren Episode 04 war so schlimm, dass festgestellt werden muss: The Following ist der Autounfall unter den US-Serien. Eine schreckliche Katastrophe, die mich zwingt, Folge für Folge immer weiter hinzusehen, weil ich wissen will,

a. ob die das alles tatsächlich ernst meinen
b. ob es noch erbärmlicher geht
c. ob Magenschleinhäute durch schlechtes Fernsehen kaputt gehen können

Frage c. beantworte ich gleich Mal mit „ja“. Es geht also los gleich nach dieser Spoilerwarnung: Spoiler können insbesondere vorkommen zu Staffel 1, die in Deutschland ja schon beim Bezahlsender RTL Crime gelaufen ist (letzte Folge: 12.09.13) und im Free-TV bei RTL seit 17. September den Bildschirm verpestet.

Hier also meine Gründe dafür, diese Serie sofort einzustellen und die Verantwortlichen fürs nächste Dschungelcamp zu nominieren. Wobei ich diesem wurmstichigen Format im Vergleich zu The Following wirklich unrecht getan habe.

1. Diese Serie stellt Serienkiller in den Mittelpunkt, knüpft mit ihnen aber Handlungsstränge aus einer Familien-Soap: Liebesirrungen, Rivalitäten, Mutterkomplexe, Sorgen am Arbeitsplatz. Der Versuch, den Wahnsinn für normal zu erklären, scheitert in diesem Fall an der platten Umsetzung, aber auch einfach an

2. der Fülle des irren Personals: ein oder zwei Killer reichen nicht, es müssen gleich Dutzende sein. So kann man sich die Mühe sparen, einzelne Charaktere näher zu beleuchten. Außerdem ist das Ganze ein ekliger Trick, der angewendet wird, um den Anführer der Killerbrigade im Vergleich zu manchen seiner Gefolgsleute sympathischer erscheinen zu lassen (s. 1.). Denn in The Following geht es ja um einen

3. Kult, den der „charismatische“ Dr. Joe Carroll initiiert hat, und der Mitglieder anzieht wie die Motten das Licht. Nur dass ich ums Verrecken nicht verstehe, warum. Denn James Purefoy spielt den Psychologen-Psychopathen als verliebten, nölenden und meist sehr bedächtigen LANGWEILER, der sein kultiges Schaffen komplett auf das Werk von Edgar Allen Poe bezieht. Seine Monologe sind unerträglich. Und der arme Poe und die ein oder andere Rückblende (Argh, Rückblenden!) muss herhalten, weil den Drehbuchautoren kein vernünftiger Grund einfiel, warum Hinz und Kunz zu Mördern werden, wenn der Doktor das will. Damit sind wir bei

4. der Motivation der Figuren, um die sich bei The Following kein Autor schert. Sind halt irre, das war’s. Am schlimmsten aber: Die Ziele des Kults bleiben lange im Dunkeln und entpuppen sich dann als komplett idiotisch. Eigentlich geht es nämlich nur darum, dass der Doktor seine Gattin zurückhaben und schnell noch ein paar Leute mit Äxten in eine High-School-Sporthalle schicken will. Dafür leben zahlreiche Sektenanhänger jahrelang mit falschen Identitäten im Verborgenen, darunter sogar ein astreiner Sheriff und andere „Überraschungsgäste“. Klar, ein Krimi lebt davon, dass jeder ein Täter sein kann. Aber selten wurde dieser Kniff so platt in Szene gesetzt wie bei The Following. Taucht eine neue Figur auf, kann man Gift darauf nehmen, dass sie zu den Bösen gehört. Mehr ist nicht dran. Da die meisten Kultanhänger zudem echte Amateure sind, was Mord und Totschlag angeht, sollte das FBI eigentlich leichtes Spiel haben. Doch damit kommen wir zu

5. der Unfähigkeit der Ermittler. Die Handlungsstränge rund um das FBI sind superöde und zugleich komplett absurd. Das Schema wiederholt sich bis zum Erbrechen: Es gibt einen Mord, dann einen Hinweis, doch das FBI kommt zu spät. Oder es gibt einen Kampf und der Verdächtige flieht. Oder er wird ausnahmsweise geschnappt, doch sogleich tauchen zwei neue Kultanhänger auf, die dafür sorgen, dass das Elend weitergeht. Weitere Probleme: SWAT-Teams können problemlos dezimiert werden, wenn es gerade in den Kram passt. Die Ermittler sind nicht in der Lage, riesige Anwesen zu finden, in denen sich die Fans des guten Doktors verstecken. In einem Fall kontrolliert der Kult sogar eine ganze Stadt, ohne dass das jemandem auffällt.

Haarsträubende Logikfehler sorgten bei mir abwechselnd für hysterisches Lachen und Wutausbrüche. Wahrscheinlich rühren die ständigen Pannen daher, dass das FBI Windows Phones und Windows-8-Rechner einsetzt (Achtung, Product Placements!). Das alles nur, um die Spannung über 15 Folgen aufrecht zu halten. In Staffel 2 kommt es übrigens noch besser, so viel sei gesagt. Nur ein winziges Beispiel:

SPOILER

In Episode 4 wird eine Mörderin in New York nach einer sturzlangweiligen Verfolgungsszene („Hey, ich halte an jeder Ecke an und lasse meinen Blick über die Menge schweifen, vielleicht zeigt sich die Verdächtige ja irgendwo“) am Bahnhof geschnappt. Daraufhin wendet sie den ältesten Trick der Filmgeschichte an und schreit: „Hilfe, ich werde angegriffen.“ Die New Yorker Bürger greifen daraufhin ein und entwaffnen den Detective vorübergehend. Fragt Mal einen New Yorker, was er machen würde, wenn ein Mann mit Pistole in der Hand eine Frau festnehmen will…  Der Mann mit der Pistole ist übrigens

SPOILER ENDE

6. Kevin Bacon. Eigentlich ein guter Schauspieler, wie er in Filmen wie Mystic River, Frost/Nixon, Sleepers, Apollo 13 oder JFK bewiesen hat. In The Following beginnt „Agent Ryan Hardy“ als Gegenspieler des Doktors ganz passabel, wirkt dann aber von Folge zu Folge mehr unterfordert und beschränkt sich schließlich auf einen leidenden Gesichtsausdruck, der dem meinigen beim Betrachten seiner vergeblichen Rettungsversuche ziemlich nahe kommen dürfte. Wahrscheinlich liegt es am „Todesfluch“, den der gute Doktor ihm ständig einreden will. Bacon muss sich außerdem fühlen wie im Remake von „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Denn eigentlich besteht die gesamte Serie

7. aus einer einzigen Idee, die wiederholt und plattgewalzt wird sowie garniert mit

8. echt ekligen Szenen, in denen die Gewalt reiner Selbstzweck ist. Vergleicht Mal die Gewaltdarstellung in Filmen wie „Sieben“ mit der in The Following, dann wisst ihr was ich meine. Damit kommen wir zum

Fazit: The Following deprimiert mich zutiefst. Eine strunzlangweilige, unlogische und einfallslos gestaltete Serie, in der ein Haufen Serienkiller und unfähige FBI-Pfeifen dafür sorgen, dass man sich mit nichts und niemand identifizieren kann. Sogar RTL hatte ein Einsehen und hat Mal wieder den Sendetermin verschoben. Ach ja, und die Musik fand ich auch scheiße.

Es geht nicht um Frau Wagenknecht, es geht ums Ganze

Und da ich auch gestern wieder „Wetten, dass…“ nur auf Twitter verfolgt habe und mir Herr Lanz eigentlich total egal ist und ich keine Kritiken zu Sendungen schreibe, die ich nicht gesehen habe, verweise ich heute nur auf diese Kolumne von Georg Diez bei SPIEGEL Online:

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/das-undemokratische-zdf-markus-lanz-und-sahra-wagenknecht-a-945361.html

Und ärgere mich, dass wir alle den Versuch des ZDF finanzieren, die 50er Jahre zu konservieren. Was im Übrigen bei Lanz nur klar sichtbar wird, weil er der schlechteste Vertreter der neoliberalen Moderatoren-Clique ist, die uns mit allen fernsehtechnischen Mitteln zum Konformismus bekehren will.

Das ZDF will Wackeldackel aus uns machen. Aber was soll’s, wir können ja umschalten, wenn’s uns nicht passt. Nur die Gebühren, die werden auf jeden Fall abgebucht. Finde den Fehler.

Flüchtige Gedanken zum Dschungelcamp

Bernhard Sinkel vergib mir, ich habe gesündigt. Die achte Staffel von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ ist für mich die erste. Was ich gesehen und dabei empfunden habe, ließe sich viel besser von Erika Fuchs oder Gudrun Penndorf in Worte fassen: Ächz, stöhn, würg. Hier trotzdem einige kurze Anmerkungen, wer die Sendung ohnehin hasst, kann natürlich sofort weiterklicken, es folgt jetzt keine Verteidigungsrede.

  • Bis zu 7,8 Millionen Zuschauer pro Folge. Das letzte große „Wir-sitzen-alle-vor-der-Glotze“-Format im deutschen Fernsehen? Oder nur das Letzte?
  • Ja, die „Stars“ sind selbst schuld, werden bezahlt. Aber wenn jemand nicht weiß, was er tut, muss er in Schutz genommen werden vor den gierigen Augen der Öffentlichkeit. Stimmt’s Larissa?
  • Die Medien haben nichts Besseres zu tun, als das Ganze livetickernd zu begleiten und sich in wortspielerischer Ironie zu ergehen. Dabei ist das eine literarische Form, die für ernsthafte Inhalte geeignet ist. Nicht für etwas, das absurder ist als „Warten auf Godot“.
  • Kinder reden auf dem Pausenhof über das Dschungelcamp. Erschreckend.
  • Tierschützer, wo seid Ihr, wenn man Euch braucht?
  • Lässt man die Verbalinjurien weg, ist das Format erschreckend langweilig. Der Dschungel drumrum mag ja echt sein, aber das Camp ist auch bloß ein Wohnzimmer ohne Schrankwand und Fernseher. Ich kenne Big Brother nicht, aber ist das nicht dasselbe ohne Maden?
  • Nein, ich verstehe nicht, worum es eigentlich geht. Könnte daran liegen, dass ich immer mittendrin ein- und nach höchstens 20 Minuten wieder ausgeschaltet habe. Wie wird man eigentlich Dschungelkönig?
  • Über so was können sich die Leute aufregen. Die NSA langweilt dagegen.
  • Fehlt nur noch die ZDF-Kopie, oder gibt’s die schon?
  • In der Wikipedia steht, dass das Camp 2013 für den Grimme-Preis nominiert war. Nee, oder?

 

 

 

„Made in Germany“: RTL und die Angst vor relevanter Unterhaltung

Das ärgert mich jetzt wirklich: RTL hat laut dwdl.de die Doku-Coaching-Soap „Made in Germany“ (Link zur ersten Folge bei RTL now) bereits nach der Pilotfolge vom Primetime-Platz hinter „Wer wird Millionär“ ins sonntägliche Nachmittagsloch gestoßen. Schuld war natürlich die Quote. 3,38 Millionen Zuschauer waren scheinbar zu wenig. Vielleicht lag es auch am schlechten Marktanteil in der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen 11,4%), dass jetzt der „Undercover Boss“ nach Jauch ins Rennen gehen darf.

Jetzt werdet Ihr vielleicht die Achseln zucken. Aber mich macht es wütend, dass ein einigermaßen seriöses Doku-Format in heller Panik abgeschossen wird, weil das Thema beim ein oder anderen Zuschauer den Griff zur Fernbedienung auslöst. In „Made in Germany“ geht es um Langzeitarbeitslosigkeit. Die Augsburger Unternehmerin Sina Trinkwalder wird beim Versuch begleitet, den Unvermittelbaren eine neue Perspektive zu geben. Und das ausgerechnet in der Kleidungsindustrie, von der wir drei Dinge ganz genau wissen:

  1. Sie ist fast komplett nach Asien abgewandert.
  2. Der Trigema-Chef hält dagegen, nervt aber kolossal.
  3. Alles industrielle Massenproduktion oder unerschwingliche Einzelstücke.

Von Sina Trinkwalder habe ich in der ersten Folge von „Made in Germany“ einiges dazu gelernt: Nähen ist eine Höllenarbeit. Augsburg war einst ein wichtiges Modezentrum. Man kann in Deutschland mit der Produktion von Stofftaschen Geld verdienen und Arbeitsplätze schaffen. Zumindest Sina Trinkwalder kann das. Die Unternehmerin strotzt vor Energie und wird sichtlich vom Wunsch angetrieben, Menschen zu helfen. Also startet sie ein neues Projekt: Statt Stofftaschen werden Unterhosen genäht, und die Arbeitsplätze werden nicht nur an Näherinnen vergeben, sondern auch an ungelernte Langzeitarbeitslose.

Das Konzept erinnert an Rachs Restaurantschule, auch ein RTL-Format. Auch im Umgang mit den Beschäftigten. Denn im Unterschied zu Soaps auf „Bauer sucht Frauentausch“-Niveau werden die Teilnehmer nicht zur Schau gestellt, sondern ernst genommen. Das lässt sich schwer beschreiben, denn die Grenze zwischen Porträt und Bloßstellung ist schwer zu ziehen. Und natürlich wird auch bei „Made in Germany“ auf die Tränendrüse gedrückt. Als Versuch, das Thema Langzeitarbeitslosigkeit so aufzubereiten, dass beim Zuschauer Verständnis für die Problematik geweckt wird, taugt die Serie allemal. Das liegt vor allem an Sina Trinkwalder, deren Umgang mit den Bewerbern in der ersten Folge so empathisch und zugleich professionell war, dass sie bei mir sofort in eine Vorbildrolle rutschte.

Jetzt aber hat RTL den Faden abgeschnitten. Der unterhaltsame Kurs in Mitarbeiterführung findet abseits der Quote statt. Wieder einmal eine verpasste Chance, die den zuletzt von Wolfgang Lieb schön beschriebenen Niedergang des Privatfernsehens in den vergangenen 30 Jahren illustriert. Man sollte das bedauern, denn wir brauchen unterhaltsame Formate zu schwierigen Themen. Aber bitte zur besten Sendezeit. Denn nur relevante Unterhaltung, die zumindest einen Fetzen Stoff zum Nachdenken birgt, ist gute Unterhaltung.

„Die Pilgerin“ vs. „Game of Thrones“

Hach Josefine, vielleicht hätte ich nie mit „Türkisch für Anfänger“ anfangen sollen. Nach 20 oder so Episoden der teils überaus witzigen, teils total nervigen „Modern Family“ in Berlin kenne ich das Preuß’sche Mienenspiel zwischen schmollend, entrüstet und verheult  zu gut. Und muss feststellen: zum schmutzigen Mittelalter passt es einfach nicht. Zumal Du  mit Bubikopf, schmutzigen Backen und in Sackleinen gewaltig an Ausstrahlung einbüßt.

Aber so war das eben im Mittelalter: Eine Frau auf Wallfahrt, viel zu gefährlich. Also macht sich Tilla, die Unschuld aus der freien Reichsstadt Tremmlingen, im ZDF-Zweiteiler „Die Pilgerin“, verkleidet auf den Weg nach Santiago de Compostela. Dort will sie den letzten Wunsch ihres Vaters erfüllen und das Herz des Toten begraben. Zugleich flieht sie vor dem bösen Bruder und kommt dabei des Öfteren vom Regen in die Traufe. Und in den Schlamm, denn das Mittelalter sieht im ZDF genau so aus, wie wir es uns vorstellen: schmutzig, schlammig und gut gefüllt mit Chauvi-Schweinen.

Für mehr Tiefgang reicht es nicht, daran hat sicher auch die Romanvorlage des Autoren-Duos Iny Lorentz Ihren Anteil. Die Ritter von der traurigen Einfalt haben schon auf Sat1 die „Wanderhure“ als sinnfreies Blut- und Dreck-Spektakel inszeniert. Im ZDF wird aus der Hure nur eine (quasi) Heilige. Der Zuschauer erfährt zumindest in den ersten 120 der insgesamt 180 Minuten (sorry, länger haben wir nicht durchgehalten) nichts über die Zeit, die Menschen, die Lebensumstände. Die Charaktere bleiben stumpf, die Action wirkt zeitweise lächerlich. Ein einarmiger Held, der ganze Heerscharen bezwingt, um dann zu enthüllen, dass er den zweiten Arm nur versteckt hat? Da schau ich mir doch lieber die Ritter der Kokosnuss an: „Ihr Arm ist ab.“ „Das ist nur ein Kratzer.“

Ein Vergleich mit „Game of Thrones„, der HBO-Serie um die Romane von George R. R. Martin, verbietet sich eigentlich. Obwohl, warum nicht? Eine Frage, fast so alt wie das Mittelalter, steht wieder im Raum: Die Deutschen können keine Geschichten erzählen, woher kommt das? Die Antworten sind auch im Fall der „Pilgerin“ vielfältig: Das Format erlaubt keine tiefer gehenden Charakterstudien. Die Schauspieler entfalten sich nicht, vielleicht abgesehen von Volker Bruch, der als Tillas Bruder allerdings auch eine dankbare Schurkenrolle einnimmt. Das Geld fehlt für echte Kulissen und die Kamera schafft es nicht, dahinziehenden Pilgern auch nur einen Hauch von „Herr der Ringe“ zu verleihen.

Der Erfolg von (US-)Serien basiert auch auf dem langen Atem der Produzenten. Man stelle sich die „Pilgerin“ als Zehnteiler vor. Welch Detailreichtum sowohl historischer als auch emotionaler Art hätte da ausgebreitet werden können. So aber ersticken Klischees die Schaulust. Und Josefine können wir nur zurufen: „Lass nächstes Mal die Haare dran!“