Late-Night-Schland

Wenn man Montags bis Donnerstags den Fernseher nach 22 Uhr noch einschaltet, kann man derzeit die deutsche Late-Night-Show in ihren unterschiedlichen Lebensphasen beobachten. Die frühe Phase ist vergleichsweise früh am Abend jeden Donnerstag um 22:25 Uhr auf ZDFneo zu sehen und firmiert aktuell unter dem Namen „neoParadise“. Der Wanderzirkus von Joko und Klaas hat hier nun wieder einen festen Sendeplatz, nachdem „MTV Home“ zusammen mit dem Free-TV-Angebot von MTV Germany gleich mit eingestampft wurde. Im Gegensatz zu „GameOne“ übrigens, das weiterhin auf MTV im Pay-TV, auf VIVA im Free-TV und im Netz zu sehen ist. Unzufrieden dürften die beiden Junior-Entertainer mit der Entwicklung trotzdem nicht sein, vergeht doch seit Monaten kaum ein Tag ohne dass mindestens einer von ihnen über die Glotze flimmert.

In dieser jungen Phase der Late-Night-Show dürfen sich die Protagonisten noch richtig austoben, viel gibts auf diesem Sendeplatz ja auch nicht zu verlieren. Mit „neoParadise“ setzen Joko und Klaas den Wahnsinn von „MTV Home“ fort und das funktioniert immernoch so gut wie bis vor einem halben Jahr bei MTV. Die eingespielten Filme sind nicht immer originell (hier ein bischen „Jackass“, dort etwas „Elton vs. Simon“) aber immer lustig. Highlights sind Palinas russische Werbespots, die „Erotische Kolumne“ mit Olli Schulz oder der Fernsehkeller in dem Serdar Sumuncu sitzt. Allein für die Leistung, Serdar Sumuncu ins öffentlich-rechtliche Fernsehen zu bringen, verdient die Show einen Preis. Überhaupt sind die vielen Gäste und Gastauftritte eine Stärke der Show.

Etwas gezwungen kommt dagegen die Gag-Parade zum Anfang daher, die Interview-Fragen an A-Promis wie Herbert Grönemeyer oder Eva Padberg und die Antworten darauf kann man bestimmt auch in einigen dutzend Magazinen nochmal nachlesen.
Bei ZDFneo ist zwar die Reichweite wegen der ausschließlich digitalen Ausstrahlung und dem öffentlich-rechtlichen Hintergrund geringer als bei MTV, zumindest theoretisch besteht aber die Chance dass die Kumpel-Moderatoren es vielleicht sogar ins ZDF Hauptprogramm schaffen. Immerhin traut man sich dort inzwischen auch Formate wie die „heute show“ zu zeigen.

Von einer Late-Night-Show im fortgeschrittenen Stadium muss man bei „TVTotal“ sprechen. Stefan Raab hat ebenfalls mal im Musikfernsehen angefangen, mit „Vivasion“ auf VIVA. Wenn man sich seine ersten Shows dort ansieht findet man bestimmt die ein oder andere Parallele zu „neoParadise“. Als „TVTotal“ später auf einem großen Sender startete, begann der Siegeszug des Stefan Raab der wohl mit dem Sieg von Lena auf dem Eurovision Song Contest 2010 seinen Zenit erreicht hat. Die Late-Night-Show ist aber schon länger hauptsächlich eine Promo-Plattform für seine großen TV-Shows und Musikprojekte, nach 12 Jahren ist von der Unterhaltsamkeit der ersten Folgen nicht mehr viel geblieben. Sein ursprüngliches Motto „Immer frech, aber nie respektlos“ hat Raab in dieser Zeit immer wieder mal über Bord geworfen, um noch ein paar Extra-Lacher zu kassieren. Inzwischen geht „TVTotal“ aber als harmlos durch.

Darauf, dass er harmlos bleibt, kann man sich bei Harald Schmidt noch immer nicht so ganz verlassen. Mit dem (erneuten) Comeback bei SAT1 in diesem Jahr beginnt für die „Harald Schmidt Show“ der letzte Abschnitt im Lebenszyklus einer Late-Night-Show. Seit 16 Jahren existiert die Show, genauso lange sitzt Jürgen Domian auch schon jede Nacht im Fernsehen und im Radio um sich den Abgründen der Gesellschaft anzunehmen. Abgründe taten sich auch schon bei den Quoten der Harald Schmidt Show auf, vor allem bei der ARD. Die waren so tief, dass vor lauter Verzweiflung sogar Oliver Pocher aus der Kiste geholt wurde um dem schwächelnden Harald unter die Arme zu greifen. Regelmäßige Kunstpausen scheinen Harald Schmidt zu inspirieren und so beginnt auch die neue alte Sendung 2011 auf vergleichsweise hohem Niveau. Höhepunkte sind Studiogäste wie Jürgen von der Lippe und Hape Kerkeling, oder die sparsam eingestreuten Besuche von Olli Dittrich. Bei den Einspielern könnte man sich noch eine Scheibe von „neoParadise“ abschneiden und dafür etwas Interviewkompetenz an die Jungs abgeben.

Wie lange Harald Schmidt das noch macht ist wohl nicht abzusehen, der Mann hat offensichtlich Spaß an der Sache. So viel Spaß, dass er lieber öfter als derzeit nur Dienstags und Mittwochs auf Sendung gehen will. Für Joko und Klaas ist eine Ausgabe ihrer Late-Night-Show pro Woche erstmal ausreichend. Und Stefan Raab darf gerne ein bischen kürzer treten. Sonst stirbt seine Show vorzeitig, noch bevor er abends mit grauen Haaren in der ARD am Schreibtisch sitzen und mit Playmobil-Figuren spielen darf.

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